Das neue Zivilprozessverfahren in Österreich ab 1.1.2003
Im Bemühen die Durchführung von Zivilprozessverfahren zu beschleunigen, gelten ab. 1.1.2003 nachstehende wesentliche Änderungen:
Mahnverfahren auch beim Gerichtshof bis € 70.000.- (§§ 244,246 ZPO)
Das bisher bei reinen Geldforderungen bis zu € 10.000,– beim Bezirksgericht bestehende Mahnverfahren (beschleunigtesVerfahren zur Erwirkung eines Exekutionstitels) wird auf Forderungen bis € 70.000,– auch beim Gerichtshof ausgeweitet. (1.9.2009)
Frist für Einspruch 4 Wochen (§§244,246 ZPO)
Der Zahlungsbefehl kann durch einen Einspruch außer Kraft gesetzt werden, welcher nunmehr innerhalb von einer Frist von 4 Wochen (anstelle bisher 14 Tagen) bei Gericht zu überreichen ist. Der Einspruch muss nunmehr jedoch den Inhalt einer Klagebeantwortung aufweisen, das heißt sämtliches notwendiges Vorbringen mit Zeugen und Beweismittel enthalten.
Klagebeantwortungsfrist beträgt nunmehr generell 4 Wochen.
Die Klagebeantwortungsfrist beträgt nun generell 4 Wochen ist ist nicht mehr vom Ermessen des Richters abhängig.
Abschaffung der ersten Tagsatzung
Einführung einer vorbereitenden Tagsatzung (§ 258 ZPO)
Die bisher teils übliche erste Tagsatzung, welche zur Erledigung von formellen Einreden diente, sowie die „Beweisbeschlusstagsatzungen“, bei welchen vom Gericht bekannt gegeben wurde, welche Beweise aufgenommen werden sollen, werden abgeschafft und generell, sowohl vor dem Bezirksgericht als auch dem Gerichtshof, nun eine vorbereitende Tagsatzung eingeführt, welche der Erarbeitung des Prozessprogramms dienen soll. Zu dieser Verhandlung sind jeweils die Partei oder ein informierter Vertreter stellig zu machen, damit der Sachverhalt umfassend erörtert und besprochen und ein allfälliger rascher Vergleich geschlossen werden kann.
Die Verhandlung ist so anzuberaumen, dass den Parteien von der Zustellung der Ladung an eine Frist von 3 Wochen zur Vorbereitung für die Verhandlung offen bleibt.( § 257 ZPO) Bei Nichteinhaltung ist jedoch kein Rechtsmittel möglich.( § 257 Abs 4 ZPO)
Im bezirksgerichtlichen Verfahren soll anlässlich dieser vorbereitenden Tagsatzung möglichst bereits die Beweisaufnahme ( Einvernahme der Zeugen und Parteien etc.) durchgeführt und das Verfahren beendet werden.(§ 440 ZPO)
Vorbereitende Schriftsätze (§ 257 Abs 3 ZPO)
Müssen spätestens eine Woche vor der vorbereitenden Tagsatzung bei Gericht und beim Gegner einlangen um auch eine Vorbereitung zu ermöglichen.
Verstärkte Anleitungspflicht des Gerichts (§ 182a ZPO)
Anlässlich der vorbereitenden Tagsatzung ist der Verhandlungsrichter verpflichtet das Sach- und Rechtsvorbringen zu erörtern, insbesondere auf rechtliche Gesichtspunkte hinzuweisen, die von einer Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten wurden. Nur wenn diese Umstände vom Verhandlungsrichter anlässlich dieser Tagsatzung erörtert wurden, können sie der Entscheidung zugrunde gelegt werden.(Schutz vor überraschenden Entscheidungen).
Einschränkung des Widerspruchs gegen ein Versäumungsurteil ( § 442 ZPO)
Um Verschleppungen durch die beklagte Partei zu vermeiden ist auch nach Erstattung der Klagebeantwortung oder des Einspruchs gegen den Kläger und den Beklagten, die Fällung eines echten Versäumungsurteils möglich, dies auch im Bestandverfahren und bei Übergabs- odermÜbernahmeaufträgen. Die Erhebung eines Widerspruchs gegen ein Versäumungsurteil ist nur mehr bei Versäumung der ersten Einlassungsmöglichkeit gegeben. Dadurch werden jedenfalls Verschleppungsmöglichkeiten für den Beklagten, eingeschränkt.
Prozessförderungspflicht der Parteien bei sonstiger Präklusion oder Kostenersatzpflicht
(§ 178, 179 ZPO)
Die Parteien sind verpflichtet zur Verfahrensbeschleunigung ihr Vorbringen und Anträge (Zeugenbekanntgabe etc.) so zeitgerecht und vollständig zu erstatten, dass das Verfahren möglichst rasch durchgeführt werden kann. Wird ein Beweisanbot/Vorbringen grob schuldhaft verspätet erstattet und ist dadurch mit einer Verfahrensverzögerung zu rechnen, kann das Gericht ein solches Vobbringen, auf Antrag oder von Amtswegen zurückweisen und nicht durchführen.
Selbst für den Fall der Durchführung der verspätet angebotenen Beweise kann das Gericht die Partei, welche die Verzögerung verursacht hat – selbst wenn sie im Prozess obsiegt und vollen Kostenersatzanspruch hätte – für die durch die schuldhafte Verzögerung entstandenen Mehrkosten dem Gegner gegenüber ersatzpflichtig machen.
Vergrösserte freie Ermessensentscheidung des Gerichtes ohne Beweisaufnahme
( § 273 Abs 2 ZPO)
Bei einzelnen Forderungen, welche € 1.000,– nicht übersteigen ist das Gericht berechtigt, bei besonderen Schwierigkeiten zur Feststellung der diesbezüglichen Forderung nach freiem Ermessen zu entscheiden.
Fristsetzungen bei Bestellung eines Sachverständigen ( § 357 ZPO)
Bei Bestellung eines Sachverständigen ist vom Gericht – wie bisher – eine Frist zur Erstattung des Gutachtens zu setzen. Der Sachverständige ist verpflichtet binnen 14 Tagen dem Gericht bekannt zu geben, falls er innerhalb der gesetzten Frist das Gutachten nicht erstatten kann. In diesem Fall besteht für das Gericht die Möglichkeit, einen anderen Sachverständigen zu bestellen um das Verfahren zu beschleunigen.
Fristsetzungen für Erledigung/Durchführung von Beweisaufnahmen
(§§ 180 , 279, 283 , 335 ZPO)
Für die Zeugenbekanntgabe und Vorlage von Beweismitteln, bei vergeblichem Versuch der Zeugeneinvernahme, bei einem Hindernis von unbestimmter Dauer zur Durchführung eines Beweises und bei Beweisaufnahmen im Ausland kann vom Gericht über Antrag des Gegners oder teilweise von amtswegen eine Frist gesetzt werden nach deren Ablauf das Verfahren ohne diesen Beweis fortgesetzt und abgeschlossen wird.
Zurücknahme der Klage (§ 237 Abs 1 ZPO)
ist ohne Zustimmung des Beklagten bis zum Einlangen des Einspruchs oder der Klagebeantwortung möglich
Einrede der sachlichen und örtlichen Unzuständigkeit (§ 240 ZPO)
ist in der Klagebeantwortung zu erheben; andernfalls ist dieser Einwand nur noch möglich falls das Gericht auch durch Parteienvereinbarung nicht zuständig gemacht werden könnte.
Echtes Versäumungsurteil ( § 396 ZPO)
ist nun auch dann möglich wenn eine der Parteien nach rechtzeitiger Erstattung der Klagebeantwortung oder des Einspruchs zur Verhandlung nicht erscheint.
Die obige Zusammenfassung stellt nur einen groben Überblick der wesentlichsten Änderungen dar.
Vor allem im Zusammenhang mit Forderungsbetreibungen ist mit positiven Auswirkungen zu rechnen, da bei Geltendmachung von Forderungen zwischen € 10.000.- und € 70.000.- die Fristen bis zur Erwirkung eines Exekutionstitels verkürzt werden und für den Schuldner generell weniger Möglichkeiten der Verfahrensverschleppung gegeben sind.
Problematisch ist meines Erachtens der Auftrag zur Stelligmachung eines informierten Vertreters zur vorbereitenden Verhandlung, zumal von säumigen Schuldnern oft zur Verfahrensverschleppung Einspruch erhoben wird und der Schuldner/in sodann zur ersten Verhandlung nicht erscheint. Der informierte Vertreter muss zur Verhandlung erscheinen und und ist damit ein entsprechender Kosten und Zeitaufwand verbunden. Hierdurch wird dem Unternehmen ein weiterer Schaden durch den säumigen Schuldner/in zugefügt. (15.10.2009)